Teatime in Istanbul – Eine Stadt zwischen Minarett und Minirock
Istanbul. Eine Stadt der Superlative. Die größte Stadt Europas. Noch heute ist in der Stadt der Atem von über 2500 Jahren Geschichte zu spüren, aber auch der Einfluss des modernen, westlichen Europas.
Die Stadt ist so bunt und vielfältig wie die Auslage eines der Gewürzhändler im Basar. Eine Entdeckungsreise für alle Sinne durch die Millionenstadt.
Gelegen an der Meerenge zwischen dem Marmarameer und Schwarzen Meer am Bosporus ist Istanbul auf zwei Kontinenten erbaut: Europa und Asien. Die Stadt hat eine unfassbare Ausdehnung von rund 100 Kilometern in der Länge und rund 50 Kilometern in der Breite. Auf einer Fläche, doppelt so groß wie das Saarland, leben rund 20 Millionen Menschen, so viel wie in Bayern und Hessen zusammen.
Wir haben uns Mitte Oktober in diese Stadt auf den zwei Kontinenten begeben. Von Freitag bis Montag hatten wir Zeit, die Stadt zu erkunden. Und wir haben sie – denken wir – gut genutzt.
Beyoglu – hier spürt man das junge Europa
Eine Stadt muss man „ergehen“ – so unser Motto. Unser Hotel lag in unmittelbarer Nähe zum Taksimplatz und Gezipark. Wer sich erinnert: Hier ging es 2013 hoch her. Rund um den Gezi Park und den Taksimplatz tobten wilde Proteste und Straßenschlachten.
Bei uns war alles sehr ruhig – aber geschäftig. Der Taksimplatz ist ein Drehkreuz: hier kommen die Flughafen-Shuttels an, treffen Metro und Straßenbahn aufeinander und hier beginnt auch die „İstiklal Caddesi“ – die Straße der Unabhängigkeit.
Fragt sich nur, wovon man hier unabhängig ist. Sicherlich nicht von Konsum und Werbewirtschaft, denn die Straße ist wohl die größte Einkaufsstraße der Millionenmetropole. Die Straße ist erfüllt vom Duft der Straßenhändler, die hier an jeder Ecke frische Maronen, Sesamkringel oder frische Muscheln anpreisen.
Dazwischen H&M, ZARA und Burger King. Die Straßenverkäufer scheinen aus einer anderen Zeit in die Straße gereist zu sein. Für uns war diese seltsame Mischung von Anfang an spürbar und wir mochten sie. In der ganzen Stadt: Althergebrachtes neben Modernem, westliche Einflüsse neben Osmanischer Kultur, Moschee neben Kirche. Aber auch Yachten im Wert von Millionen neben Fischern, die ums Überleben fischen.
Wenn man die Straße der Unabhängigkeit entlang Richtung Stadtmitte geht, passiert man den Galata-Turm. Rund um den Turm spürt man das junge, alternative und eher westliche Istanbul. Hier sieht man kaum ein Kopftuch oder eine Burka. Es ist ein sehr junges Viertel. Gerade am Abend ist hier viel los.
Die Jungen sitzen auf den Jahrhunderte alten, schon ausgetretenen Treppenstufen und Balustraden, trinken Tee, Wein oder was auch sonst. Musiker spielen. Und obwohl Oktober ist, und in Deutschland die ersten Schneefälle gemeldet werden, ist es hier am Abend mit 19 Grad noch fast lau.
Über die Brücke ins Mittelalter
Vom Galata-Turm führt die Straße in Windungen bergab und man erreicht das goldene Horn, ein Seitenarm des Bosporus. Von hier aus ist schon die Blaue Moschee, die Hagia Sophia und rechter Hand die große Süleymaniye Moschee zu sehen. Gerade am Abend sind die Moscheen hellorange angeleuchtet und heben sich so vom königsblauen Himmel ab.
Geht man jetzt von Beyoglu über die weite Brücke über das goldene Horn, erreicht man die Istanbuler Altstadt. Auf der Brücke stehen dicht gedrängt Rute an Rute die Fischer von Istanbul. Den Sommer über ist das Angeln hier verboten.
Es ist zu heiß. Aber ab Oktober geht die Saison wieder los, und so Atmet man den kratzigen Duft der vorbeibrausenden Autos vermengt mit dem Geruch von frisch gefangenem Fisch und einer Brise Cay – dem türkischen Schwarztee. Die Fischer stehen hier die ganze Nacht, da ist man um einen Schluck heißen Tee aus dem Plastikbecher zwischen zwei Zigaretten dankbar.
Am anderen Ufer angekommen standen wir auf dem Vorplatz der Yeni Cami, der neuen Moschee. So neu ist sie aber gar nicht. Der Bau wurde im Jahr 1667 fertiggestellt. Wir haben die Altstadt zum ersten Mal am Abend betreten und waren etwas enttäuscht: nach 21 Uhr ist hier nichts mehr los. Nur die Ratten und Mäuse huschen durch die Gänge des Basars.
Tagsüber jedoch herrscht geschäftiges Treiben. Sowohl an den Sehenswürdigkeiten und Moscheen – noch mehr aber im Basar. Also nichts wie rein in den Trubel des Großen Basars von Istanbul.
Ein Rausch von Farben und Gerüchen
Der Geruch von Leder, Tee und Zigaretten schlägt einem entgegen. Die vielen Menschen die sich hier durch die Gänge schieben erzeugen ein geschäftiges gleichmäßiges Brummen, dass zeitweise zu einem Summen abflaut.
Doch wer hier Hektik erwartet der irrt. Ein Türke, der lange in Deutschland gelebt hat und auf den Namen Halis hört, klärt uns auf: „Wenn du durch den Basar gehst, dann brauchst du Zeit. Viel Zeit. Und bist du was kaufst, können Stunden vergehen. Man muss schließlich verhandeln.“
In den weiten Gängen des Basars, die breit sind wie Straßen, herrscht also ein geschäftiges Treiben. Die einzigen, die wirklich hetzen, sind die Tee-Träger. In jedem Geschäft wird dem Kunden Tee angeboten, denn die Verhandlungen können sich auch hinziehen.
Über eine Gegensprechanlage auf den Gängen rufen sie beim nächsten Tee-Service an und der schickt sofort einen seiner Boten mit dem Tee-Tablet los. Cay – so nennen die Türken ihr Nationalgetränk. Rund 220 Liter trinken die Türken im Schnitt pro Person im Jahr.
Hier geht’s zu wie auf dem türkischen Basar
Berühmt ist der Basar vor allem für seine Schuck- und Metallarbeiten. Ganze Gänge glänzen vom Silber, Gold und Brillanten-Schmuck. Und es sind alles Handarbeiten. Gefertigt in den Hinterzimmern und oberen Stockwerken des Basars. Hier sitzen in kleinen Stuben Männer zusammen, schmelzen Silbergranulat, behauen das Metall zu groben Formen oder bearbeiten es mit feinen Hämmern und fertigen daraus kunstvoll Kelche und Schalen.
Allerdings findet man im großen Basar, wenig von dem, was man klischeehalber vom „türkischen Basar“ erwartet. Dazu muss man hinüber gehen in den ägyptischen Basar – den Gewürzbasar. Verschiedenste Gewürze werden hier aus Säcken feilgeboten, Datteln, Feigen und Nüsse liegen in großen Auslagen vor den kleinen Geschäften. Eine Mischung aus Zimt, Nelken und anderen Gewürzen flutet die Sinne.
Hier geht es enger zu als im Großen Basar. Händler sprechen den Kunden an. „Where are you from? Germany? Willkommen, probieren Sie! Probieren Sie!“ Teller mit Türkischen Honig, schmalztriefendem Blätterteiggebäck und erntefrische Oliven. Ein wahres Schlaraffenland.
Ein Klassiker – die Blaue Moschee
Klar, wenn man durch diese große Stadt unterwegs ist, da dürfen die großen Sehenswürdigkeiten nicht fehlen: Die Hagia Sophia, die blaue Moschee, der Sultanspalast. Bei der Blauen Moschee hatten wir zweimal Pech. Jedes Mal kamen wir gerade, als das Gotteshaus wegen der Gebetszeiten für Besucher gesperrt war. Beim dritten Anlauf hat es dann aber geklappt.
Erstmal heißt es Schuhe ausziehen. Das Ausziehen der Schuhe ist für Muslime ein Zeichen der Ehrfurcht vor Allah, dem großen, einen Gott. Man bekommt hierfür eine schicke, weiße Einwegplastiktüte, was im inneren des großen Gotteshauses zu einer knisternden Stimmung, gepaart mit einer leicht süßlich-käsigen Note führt.
Der Innenraum der Sultan-Ahmed-Moschee, so heißt die blaue Moschee eigentlich, ist wirklich beeindruckend. Die Kuppel hat einen sagenhaften Durchmesser von 23,5 Metern. In Moscheen gibt es keine Bilder oder Figuren, nur Tafeln mit Schriftzeichen und kunstvoll bemalte Fliesen. Das schafft eine ganz eigene, schlicht-elegante Atmosphäre.
Kirche, Moschee, Museum – die Hagia Sophia
Die Hagia-Sophia ist da schon anders. Im Jahr 537 n. Chr. als christliche Basilika fertiggestellt, setzte sie zur damaligen Zeit architektonische Maßstäbe. Die Kuppel hat einen Durchmesser von 33 Metern, was für das 6. Jahrhundert eine Sensation war.
Besonders sehenswert fanden wir die Mosaike im ersten Stock der Kirche. Es ist erstaunlich, dass diese die Umwandlung des Bauwerkes in eine Moschee im Jahr 1453 überlebt haben. Es ist schon beeindruckend, wie fein und kleinteilig die Mosaike gearbeitet sind – und wie gut sie sich bis heute gehalten haben.
Der Sultanspalast soll auch fantastisch sein. Allerdings war er uns nicht beeindruckend genug um uns zwei bis drei Stunden unserer eh schon knappen Zeit in eine Reihe wild gewordener Asiaten zu stellen, die gefühlt jeden Stein und jede Blume fotografieren und mit ihren Selfie-Sticks im Stil der drei Musketiere Duelle um das beste Bild, den ausgefallensten Winkel, die verrückteste Pose austragen.
Ein Geheimtipp – die Asiatische Seite der Stadt
Unser Highlight war tatsächlich die asiatische Seite von Istanbul. In den ausführlichen Touristen-Tipps nur in Randnotizen zu finden, bei anderen wird diese Seite komplett ausgespart. Ein völliger Fehler, wie wir finden: Klar, die großen Sehenswürdigkeiten stehen in der Altstadt und ja, das pulsierende Nachtleben findet in Beyoglu statt. Aber hier ist Istanbul anders, ruhiger, gemütlicher.
Und hier ist der Sonnenuntergang ein echtes Highlight. Mit einem Tee oder Kaffee an der Stufen der Uferpromenade sitzen und die Minarettspitzen der über 2000 Moscheen in der goldenen Sonne glitzern sehen, die sich langsam über den Bosporus senkt – ein Traum.
Und mit diesem Sonnenuntergang am letzten Abend ging unser Trip nach Istanbul zu Ende. Fast. Wir wollten von der asiatischen Seite mit dem Schiff zurück in die Stadt, noch etwas bummeln und dann zum Flughafen. Da wir aber leider das falsche Boot bestiegen haben, machten wir noch eine kleine Bosporus-Kreuzfahrt. Ein schöner Abschluss einer interessanten, bunten Reise.
Es war sicherlich nicht der letzte Besuch der Millionenstadt. Angeblich kommen 80 Prozent der Besucher ein zweites Mal nach Istanbul. Und von diesen 80 Prozent lassen sich 15 Prozent für kurz oder lang dauerhaft nieder. Wir werden sehen. Ein Wiedersehen gibt es bestimmt.