E-Bike fahren ist Rentnersport? Ein U30-Erfahrungsbericht.
450 Kilometer – acht Tage. Klingt nach einer Bomben-Fahrradtour. Wir fahren mit dem E-Bike. Ob das meinen männlichen Stolz verletzt oder doch ganz cool ist: Ihr lest es hier.
Januar, wir planen unsere Radtour.
Vorschlag vom örtlichen Tourismusamt, ein E-Bike zu nehmen. Und ich denk mir: Echt jetzt? Ich bin doch keine 70! Das geht ja gar nicht. Ich werde sicher mit meinem eigenen Mountainbike fahren.
März, die Pläne konkretisieren sich. Ich hab mich breitschlagen lassen. Ja, wir haben viel Gepäck, ja, da gibt’s einige Hügel und Berge, und ja: wir haben auch längere Etappen. Naaaa gut. Aber nur widerwillig stimme ich zu.
Samstag, 1. Tag der Radrunde mit dem E-Bike
Wir haben die Bikes von Flyer beim Fahrrad-Verleih abgeholt. Zu meiner großen Überraschung hat uns der nette Verleiher nicht ausgelacht. „Ne, das machen viele in euerm Alter so. Ist ja auch entspannter. Und bei dem was ihr an Gepäck dabei habt…also ich würd das nicht ohne E-Bike machen wollen“. Ah. Oh. Ein leiser Verdacht schleicht sich ein. War das vielleicht doch die richtige Entscheidung? Wir fahren los, voll bepackt. Jeder zwei Satteltaschen und einen Rucksack auf dem Gepäckträger und ich noch eine Lenkertasche. Und es ist…echt cool. Traurig, dass sagen zu müssen, aber es macht echt Spaß.
Info: Wie funktioniert so ein E-Bike?
Das Prinzip des E-Bikes ist schnell erklärt. Man nehme ein normales Fahrrad (wahlweise Mountainbike, Trekking- oder Citybike). Jetzt muss man sich vorstellen: Man fährt dieses Fahrrad – tritt in die Pedale, aber der zugeschaltete Unterstützungsmotor nimmt den Wiederstand aus den Pedalen. Es tritt sich also sehr leicht, obwohl es vielleicht bergauf geht oder man in einem höheren Gang fährt.
Aber: Treten muss man immer selber. Es geht eben nur leichter. Diese Unterstützung hat drei Stufen. Eco, Standard und High. Je nachdem steigt natürlich auch der Akkuverbrauch. Mit Eco muss man schon noch etwas treten. Abhängig davon, wie viel Gepäck man dabei hat, ist die Unterstützung fast so stark, dass das Mehrgewicht des Rads (durch Akku und Motor) und des Gepäck kompensiert wird. Standard ist schon um einiges stärker und in der High-Unterstützung fährt man auch mühelos eine Steigung nach oben.
Natürlich muss ich erstmal viel rumprobieren: die erste halbe Stunde fahre ich in der höchsten Unterstützung. Wir düsen also im „high“-Mode durch den Kur-Ort Bad Wörishofen und machen den Omis und Opis mit ihren vollmotorisierten und tiefergelegten Rollatoren Konkurrenz. Danach geht es mit „Standard“ weiter. Bergauf und Bergab durch traumhafte Landschaft. Ach was ist das schön – meine Haare flattern im Wind und wir fahren glücklich in den Sonnenuntergang…oder so.
Montag, Tag 3 auf dem E-Bike:
Nach den ersten Akku-verschwenderischen Tagen in denen ich viel in „high“ und „standard“ gefahren bin, kehrt wieder die Vernunft zurück: Ich fahre fast die ganze Zeit im Eco-Mode – so hält der Akku leicht für die ganze Etappe (Reichweite „Eco“ je nach Steigungen: ca. 90 Kilometer). Allerdings schnaufe ich schon so manchen Berg hinauf. Es ist halt doch anstrengend dieses Fahrradfahren…Vielleicht schalte ich wieder hoch?
Mittwoch, Tag 5 E-Bike:
Mit Schmach und Häme werde ich überzogen. Gleich zu Beginn der Etappe überholt uns eine Gruppe rüstiger Rentner – schon fast Renn-Rentner – in engen Trikots auf Mountainbikes. Kopfschüttelnd und das Wort „E-Bikes“ raunend rasen sie an uns vorbei. Bergauf. Nur wenige Kilometer später überholen wir Wanderer, die am Frühstückstisch neben uns saßen. Der Mann Mitte 60 ruft mir zu: „Mit Motor? Ihr mogelt ja!“ So – das war’s mit meiner Motivation für den Tag.
Von den Weisen und Alten unserer Art werden wir geächtet und geschmäht. Ich schalte den Assistenten sofort aus. Ich kann auch ohne. Sollen die doch in ihren Stützstrümpfen und Renn-Trikots davon düsen – denen werde ich es schon noch zeigen. Heute gibt’s wenn überhaupt Eco. Den Rest der Strecke fahr ich Assistenten-frei. Manno man…dieser doofe männliche Stolz. (Anm. d. Red.: hat er nicht! Ohne Unterstützung zu fahren ist deutlich schwerer als mit einem normalen Fahrrad zu fahren. Ein E-Bike wiegt mit Akku und ohne Satteltaschen schon zwischen 15 und 23 Kilo).
Samstag, Tag 8: Letzter Tag der E-Bike-Tour durchs Allgäu.
Es war schön. Nein, das muss man wirklich sagen: Es war schön. Trotz aller anfänglicher Schwierigkeiten und männlicher Ego-Probleme zwischendurch. Es hat richtig Spaß gemacht E-Bike zu fahren. Und es hat schon was, so mit 15-20 km/h den Berg hinauf zu fahren und so schnell von A nach B zu kommen. Und dabei kann man auch noch die Landschaft und die Umgebung genießen. Kurz gesagt: Ich würde es wieder tun. Allen Widrigkeiten, männlichen Ego-Problemen und schiefen Blicken zum Trotz.
Tipps zum Schluss:
Nach einer Woche E-Bike haben wir einige Erfahrungen die wir gerne mit euch teilen wollen. Zum Beispiel reicht es, wenn man zu zweit oder zu dritt unterwegs ist, völlig aus nur ein Ladekabel mitzunehmen. Die Teile sind relativ schwer und wenn jeder eins mitnimmt ist das unnötiger Ballast. Ein Akku ist circa nach drei Stunden vollgeladen. Also: Gleich bei der Ankunft im Hotel einen anstecken, nach dem Abendessen den nächsten und dann über Nacht den dritten oder eventuell in der Früh noch umstecken.
Auch sollte man mit dem Akku etwas schonend umgehen. Ständig in der „high“ – Unterstützung zu fahren ist natürlich nicht sehr sinnvoll. Das Horror-Szenario dazu ist: Fünf Kilometer vor dem Ziel ist der Akku alle und es geht bergauf. Das wäre natürlich doof. Also: sparen 😉
Nehmt euch auf die Tour auf jeden Fall ein kleines Vorhängeschloss oder Fahrrad-Schloss mit. Dann könnt ihr, wie auf dem Bild aus Ottobeuren zu sehen, die Akkus in einer Ladebox einsperren und nachladen. Und währenddessen könnt ihr die Basilika anschauen und ein Eis genießen.
Wie unsere Tour auf der Radrunde Allgäu sonst so war, was wir erlebt und gesehen haben, auf unserer Übersichtsseite zur Radrunde.
Pingback: Radrunde Allgäu - Unsere Erfahrungen auf der Tour durchs Gäu
Super Beitrag und toller Blog 😀 Sehr lesenswerte alles zum Thema Elektrobike 😀 Viele Grüsse
Hey,
das freut uns!
Danke für das Feedback.
Grüße
Andrea & Bene
Hallo ihr zwei Hübschen 🙂
danke für die vielen Infos zu der Allgäu Radtour, die sind für mich in der Tat hilfreich.
Ich werde diese Tour dieses Jahr auch mal fahren und das ebenfalls mit dem Pedelec und da sind solche Infos über Ladestationen etc. pp. durchaus gern gesehen.
Ich darf aber auch mit dem E-Bike fahren, bin ja Opa und werd dieses Jahr 70.
Trotzdem fahr ich auch noch ein normales MTB und ein Carbon Rennrad, aber nicht auf solch langen Touren.
Allerdings ist meins nicht so eine Rentnerkutsche, wie die 2 Teile, die Ihr da hattet….die sehen ja schrecklich aus *grins*
Ich hab ein EMTB von Cube und das kann man auch notfalls voll packen, alles kein Problem. Ich kann nen Gepäckträger anbauen und Bikepacking Taschen an den Lenker dranmachen. In paar Minuten ist das erledigt und ansonsten kann ich mit dem Teil ganz brutale Tages-Touren ( bis 90 KM ) und Single Trails fahren, sowas geht mit den Flyer Rädern natürlich nicht!
Die Infos von euch zum E-Bike sind aber auch ziemlich veraltet, nicht wahr?
Die modernen Räder haben 4 oder gar 5 Unterstützungsstufen, sind auch meist viel leichter als die Eisenhaufen von euch, aber das nur am Rande.
Vielleicht solltet ihr auch noch mit in die E-Bike Info mit rein nehmen, dass man auf KEINEN FALL ein Rad mit nem Vorderradmotor anschaffen sollte, die Dinger sind totale Sche…. und es gibt sehr viele Unfälle damit. Das sind sowieso die billigsten Baumarkt / Ebay Räder, die man kriegen kann mit miserabler Technik usw.
Ich hoffe, durch euren Blog werden mehr Leute zum Radfahren allgemein, aber natürlich auch zum Pedelec fahren veranlasst. Ich hab das mal auf FB verlinkt, vielleicht hilft das ja etwas.
Vor Allem ältere Menschen kaufen sich zunehmend solche Teile, aber die sollten auch gleich mal ein Fahrtraining mit ordern. Klar konnten die mal alle richtig Radfahren, das war aber mal früher und nun überschätzen sich sehr viele der Älteren.
Ich sehe immer wieder, dass doch sehr unsicher herum gegurkt wird mit den E-Bikes, angefangen vom falschen Gang drin und dadurch bedingt fast Umfaller bis hin zum ganzen Weg brauchen kann man alles erleben. Aufklärung und Fahrunterricht tut also Not.
Anyway, lasst es Euch gut gehen und viele Grüße
Heiner